EMBA HSG Alumni: Die Schweiz – der Frosch im Kochtopf?

Die Schweiz – der Frosch im Kochtopf?

Spannende Insight an der Weiterbildungsveranstaltung der EMBA HSG Alumni

Das spannende und hochaktuelle Thema «Zukunft Standort Schweiz» lockte über 80 EMBA HSG Alumni in der vergangenen Woche in das AURA am Paradeplatz in Zürich. Ursula Nold (Präsidentin des Migros-Genossenschafts-Bundes) und Jane Owen (Britische Botschafterin der Schweiz und Lichtenstein) sowie Markus Somm (Chefredakteur Nebelspalter) und Martin Naville (CEO der Swiss-American Chamber of Commerce) setzten in ihren Referaten verschiedene Schwerpunkte, um die Zukunft des Standortes Schweiz zu skizzieren.  

Im Vorfeld der Weiterbildungsveranstaltung hatten die EMBA HSG Alumni ihre Generalversammlung abgehalten. An dieser wurde der Vorstand um das Co-Präsidium Daniela Decurtins und Stefan Stübi bestätigt und Stephan Müller (EMBA 56) für das Ressort Finanzen neu gewählt. Er folgt auf Pablo Behrens, der auf eigenen Wunsch ausschied und dem für seine engagierte Tätigkeit gedankt wurde. Der Vorstand wird durch Mandy von Piotrowski, Sarah Banzer Mehling, Mark Mickoleit, Martin Hirni und Karlo Novak vervollständigt.

Ursula Nold eröffnete die Weiterbildungsveranstaltung und sprach in ihrem Referat über das Thema «Identität braucht Kultur: Das Beispiel Migros». Die Absolventin des EMBA 42 («Natürlich haben auch wir gesagt, dass wir die beste Klasse waren») arbeitete zunächst heraus, dass die Migros in der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Situation stark gefordert sei. Umso wichtiger sei die Frage, was Identität sei und wie man sich als Unternehmen positioniere. Die Werte Gemeinschaft, Verantwortung und Pioniergeist prägen die Migros seit Gründung durch Gottlieb Duttweiler. «Je grösser ein Unternehmen ist, desto mehr muss es sich für die Gesellschaft engagieren», so das Credo. Seit 1957 habe die Migros als Kulturproduzent fünf Milliarden Franken für die Gesellschaft investiert. Dieses Engagement sei freiwillig – entspräche aber dem Selbstverständnis der genossenschaftlichen Struktur der Migros. Natürlich, so Nold, habe es in den vergangenen Jahren verschiedenste Veränderungen gegeben, auf die auch die Migros habe reagieren müssen. «Die Stärken und die Werte aber bleiben». Ein weitere, wichtiger Schritt für die Zukunft sei das Engagement zum Thema Nachhaltigkeit. So habe sich die Migros bewusst von Sub-Unternehmen wie Globus und Depot getrennt, da diese nicht nachhaltig seien. Vielmehr sei es wichtig, auch In-House, auf das Thema zu setzen. Die Entwicklung des ersten veganen Eis und PET-Flaschen aus CO2 seien weltweite Innovationen, made by Migros.

Markus Somm setzte das Thema des Tages im zweiten Referat in den historischen Kontext. Auf die Frage, «Warum die Schweiz reich geworden ist», gab er gleich mehrere Antworten. Neben den bekannten Theorien des Bankgeheimnisses und der Neutralität der Schweizer in den Weltkriegen definierte Somm drei weitere wichtige Eckpfeiler. Denn: «Nur mit dem Bankgeheimnis wird man auch nicht reich!». Erfolgsgeheimnis Nummer Eins der Schweiz sei die besondere Lage. Normalerweise seien Berggebiete eher arm, nicht aber die Schweiz, obwohl sie grossenteils aus Bergregionen besteht. Ihre Lage mitten in Europa, quasi als Trennung von Norden und Süden sei und ist einzigartig. In früheren Jahren war es für den Handel ein Verkehrshindernis und so galt die Devise «Wer die Passübergänge kontrollierte, hatte militärische und vor allem politische Macht». Dies machte sich die Schweiz zu nutzen, hilfreich war dabei auch das politische System. Somm zeigte mit anekdotenreichen Erzählungen auf, welche Vorteile die Eidgenossenschaften gegenüber den Grafschaften hatten und wie die Schweiz als dezentrale Republik profitierte. Als dritten elementaren Punkt arbeitete Somm die Offenheit gegenüber Immigration heraus – «liberal aus Sachzwang», wie er es formulierte. Für Somm sei der Föderalismus auch ein Erfolgsfaktor – eine spannende Frage, die im weiteren Verlauf der Weiterbildung entsprechend kontrovers diskutiert wurde.

Von Martin Naville zum Beispiel. Der CEO der Swiss-American Chamber of Commerce widmete sich in seinem Referat den Multilateralen Unternehmen in der Schweiz. Sein Slogan «Wake up Switzerland!» soll ein Weckruf sein. Gleichwohl, dass die multilateralen Unternehmen für die Schweiz und ihre Wirtschaft überlebenswichtig sind, hat die Schweiz als Standort in den letzten Jahren an Attraktivität verloren. Grundlage sei hierfür eine aufwendige Analyse durchgeführt von McKinsey, die mehr als hundert CEOs befragt haben. Die Schweiz sei von Platz 1 auf Platz 3 der Hauptsitzstandorte gefallen. Das sei immer noch gut, so Naville, aber zeige eben auch, dass andere Nationen aufholen würden. Als aufstrebendes Beispiel nannte er die Niederlande, die wichtige Unternehmen wie Tesla, Uber und Netflix gewinnen konnten. Als Gründe für diese Entwicklung sieht Naville zum einen den niedrigen Ausbildungsstand in der Schweiz und die Abhängigkeit von Zuwanderung, die wiederum in der Schweiz komplexer und bürokratischer ist als in anderen Ländern. Zum anderen sei das politische System ohne personifizierten Staatschef und mit zu viel Föderalismus ein Hindernis. Viele Abkommen und Themen wie AHV, Gesundheitswesen, CO2 Gesetz, Unternehmensbesteuerung, Energieabkommen, Gesundheitsabkommen seien seit Jahren nicht gelöst. «Der Föderalismus», so Naville, «ist nur zu 80 Prozent gut». Daher schliesse er auch mit seinen Eingangsworten: «Wake Up Switzerland!»  

Jane Owen, britische Botschafterin der Schweiz und Lichtenstein, zeichnete ein positives und sehr partnerschaftliches Bild der Schweiz. In ihrem Referat «Switzerland and the UK» betonte sie zunächst die Zugkraft und wirtschaftliche Stärke der Schweiz aus Sicht des Vereinigten Königreiches. Im Bezug auf die Digitalisierung sei die Schweiz zudem ein wichtiger Antreiber, der Druck auf das Vereinigte Königreich ausübe, dem guten Beispiel zu folgen. Zugleich erteilte sie etwaigen Überlegungen, dass sich Grossbritannien mit der Schweiz gegen die EU verbünden würde, eine klare Absage. Gleichwohl warb Owen für weiterhin enge Wirtschaftsverbindungen, auch ohne legale Strukturen wie die der Europäischen Union. «Seit dem Brexit haben wir 17 verschiedene Wirtschaftsvereinbarungen verhandelt, die insgesamt fast eine Billion Pounds wert sind», so Owen. Sie signalisierte ebenfalls, dass sie es für sehr unwahrscheinlich halte, dass es ein erneutes Referendum über die EU geben werde. Die Situation in der Ukraine habe gezeigt, dass es möglich ist, erfolgreich und effektiv zusammenzuarbeiten, ohne eine legal bindende Struktur zu haben, erklärte Owen.

In der anschliessenden Diskussion zwischen Owen, Somm und Naville, moderiert von EMBA HSG Alumni Co-Präsidentin Daniela Decurtins, stand das Bild des Froschs im Kochtopf im Fokus. Ist die Schweiz der Frosch im Kochtopf, der nicht merkt, dass es langsam, aber stetig heisser wird und der schliesslich stirbt? Jane Owen bezog das Bild nicht nur auf die Schweiz, sondern sieht eher ganz Europa als den Frosch. Es sei kein Grund zur Panik und vorschnellen Entscheiden, aber langsam, aber sicher müsse man handeln. Das wirtschaftliche Wachstum sei aktuell in Asien, nicht in Europa oder gar der Schweiz. «Insofern ist das Bild vom Frosch im Kochtopf durchaus stimmig», so Markus Somm.

 

Im weiteren Verlauf der kurzweiligen Diskussionsrunde stellte sich die Frage nach dem politischen System der Schweiz – als Erfolgsfaktor oder Hindernis. Jane Owen wünsche sich für das Vereinigte Königreich an manchen Stellen mehr Föderalismus, traditionell sei ihre Nation stark in Institutionen.

Die Diskussion über den die Zukunft des Standortes Schweiz ging auch nach den Vorträgen und der Diskussionsrunde weiter. EMBA HSG Alumni der verschiedenen Jahrgänge debattierten bei einem Apèro Riche weiter über die Vor- und Nachteile des Föderalismus, die internationalen Handelsbeziehungen und reflektierten nicht zuletzt nochmals die Studienzeit an der Executive School in St. Gallen. Ein rundum gelungener Anlass nach einer langen coronabedingten Pause.

Weitere EMBA HSG Alumni Veranstaltungen

Bereits im September und im November finden weitere Veranstaltungen der EMBA HSG Alumni statt; zunächst am Mittwoch, 28. September 2022 die Fiirabigverstaltung im Haus des Rüden in Zürich und am 3./4. November 2022 der Refresher zum Thema Digital Readiness für Führungskräfte in St. Gallen.

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