Coaching als Führungsaufgabe:
Ein Gespräch über Fussball, Wirkung und Zukunft

Der Trainingsplatz am Abend erzählt seine eigene Geschichte. Junge Frauen treffen ein, die Fussballschuhe lässig über die Schulter geworfen, der Blick konzentriert auf das, was kommt. Für Gesa Jürgens beginnt Führung genau hier. Nicht im Seminarraum, sondern auf dem Rasen. Nicht nur im Spielsystem, sondern im Denken.

Gesa, einst selbst Spielerin und heute Trainerin auf hohem Niveau, sieht den Jugendfussball als mehr als nur Sport. Für sie ist er ein Raum, in dem Resilienz, Teamgeist und Sinnstiftung durch tägliches Handeln wachsen. Als Speakerin beim Panel Game Changer am Spielfeldrand bei der UEFA Women’s EURO 2025 in St. Gallen – und als Teil der Executive-Learning-Community der Universität St.Gallen – bringt sie eine frische Perspektive auf das Thema Leadership: eine, die den Sport mit der Businesswelt verbindet.

Panel Game Changer am Spielfeldrand bei der UEFA Women’s EURO 2025 in St. Gallen

„Fussball hat mir so viel gegeben. Es ist mehr als nur ein Sport – es ist eine Lebensschule,“ sagt sie. „Man lernt viel über Teamgeist, Sozialkompetenz und den Umgang mit Niederlage und Sieg. Ausserdem verbindet Fußball die unterschiedlichsten Menschen und Charaktere miteinander.“

Diese Überzeugung hat sie auch dazu bewegt, nach fast 30 Jahren als Spielerin in die Trainerrolle zu wechseln. „Nach meiner aktiven Karriere wollte ich diese Leidenschaft und Begeisterung an junge Spielerinnen weitergeben. Genau das kann ich jeden Tag auf dem Platz tun. Deshalb bin ich Trainerin geworden.“

Führung beginnt beim Menschen

Für Gesa ist Coaching weit mehr als Taktik. Es geht um Menschen. Um Entwicklung. Um die Momente, in denen Glaube an sich selbst zu echtem Durchbruch wird.

„Die Tätigkeit als Trainerin im Frauennachwuchsbereich des Fussballs bietet mir spannende Herausforderungen, an denen ich persönlich wachsen kann. Sie bietet mir auch die Chance, Werte zu vermitteln, Führungskompetenzen zu entwickeln, als Vorbild voranzugehen und andere zu inspirieren.“

Dabei beginnt Entwicklung für sie immer mit dem genauen Hinschauen – und dem Ernstnehmen jedes einzelnen Menschen.

„Entscheidend ist für mich, auf die individuellen Bedürfnisse und Herausforderungen jeder Spielerin einzugehen – sei es auf dem Feld oder im persönlichen Bereich. Als Trainerin habe ich die Möglichkeit, die jungen Sportlerinnen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen. Ich bestärke sie darin, an sich selbst zu glauben und ihr Potenzial voll auszuschöpfen.“

Darin spiegelt sich eine grundlegende Wahrheit über gute Führung wider: Sie basiert auf Vertrauen, Empathie und klarer Ausrichtung. Ob im Sport oder im Unternehmen – wer Kontexte erkennen und situativ führen kann, ist im Vorteil.

„Die Fähigkeit, eine Gruppe zu motivieren, zu organisieren und teamorientiert zu leiten, ist eine Schlüsselkompetenz, die auch im Berufsleben enorm wertvoll ist.“

Durch die Arbeit mit jungen Frauen aus den verschiedensten sozialen und kulturellen Hintergründen hat sich auch Gesa weiterentwickelt. Sie ist aufmerksamer geworden – gegenüber Identität, Chancen und gesellschaftlicher Vielfalt.

„Die Zusammenarbeit mit jungen Menschen aus unterschiedlichen Hintergründen fördert eine erhöhte Sensibilität für kulturelle, soziale und persönliche Unterschiede. Dadurch bin ich als Mensch offener, toleranter und reflektierter geworden.“

Ihre Spielerinnen bringen unglaubliches Engagement mit – trotz Schule, Ausbildung, Job oder familiären Verpflichtungen. „Sie trainieren vier bis sechs Mal in der Woche, haben dabei mehrmals einen 12- bis 14-Stunden-Tag und am Wochenende nur einen Tag wirklich frei. Dazu braucht es das richtige Mindset, viel Hartnäckigkeit, Energie und einen starken Willen.“

„Diese Einstellung beeindruckt mich sehr und motiviert mich jeden Tag aufs Neue.“

Momente, die zählen

Gesa Jürgens
Gesa Jürgens

Coaching heisst für Gesa: nachhaltige Entwicklung begleiten. Am meisten berühren sie die Geschichten, in denen eine Spielerin ihren Weg vom Nachwuchsteam bis in die erste Frauenequipe schafft. „Man hat die Spielerin über mehrere Saisons begleitet, unterstützt und viel Energie, Engagement, Herzblut und Zeit investiert und die Entwicklung der Spielerin miterlebt.“

Es sind nicht nur sportliche Meilensteine, sondern echte Reifungsschritte. Für Gesa ist Coaching deshalb nicht einfach ein Beruf – sondern Verantwortung.

Ihre Teilnahme am Panel der Women’s EURO 2025 war für sie ein wichtiger Schritt, um diese Verantwortung sichtbar zu machen. „Es war eine tolle Gelegenheit, einem breiteren Publikum meine Perspektive, meine Aufgaben, meine Herausforderungen und meine Verantwortung als Trainerin zu schildern und somit das Trainerinnen-Sein sichtbarer zu machen.“

Mehr als Motivation: Es braucht Strukturen

Langfristige Entwicklung basiert für Gesa nicht allein auf Motivation. Es geht um Strukturen, um Kultur – und um eine klare Vision.

„Die grösste Chance, die nächste Generation im Frauenfussball zu fördern, besteht darin, strukturiert in Talente, Trainerinnen, Funktionärinnen, Schiedsrichterinnen, Infrastruktur, Sichtbarkeit und Ausbildung zu investieren.“

Ein inklusives Umfeld ist dabei genauso wichtig wie sportliche Leistung. „Ein starker Fokus auf Chancengleichheit, professionelle Trainings- und Spielbedingungen und Werte wie Gemeinschaft und Inklusion können den Weg für ein nachhaltiges Wachstum des Frauenfussballs ebnen.“

Auch im EMBA-Netzwerk erkennt sie ähnliche Denkweisen: „Die erste Parallele sehe ich bei der persönlichen Entwicklung im Teamkontext. Bei beiden hat man die Verantwortung für die individuelle Entwicklung bei gleichzeitiger Förderung des grösseren Ganzen.“

Zum Saisonstart legt sie gemeinsam mit ihrem Team drei bis vier Werte fest – wie Fairness, Respekt und Verantwortung. Diese Werte sind keine Worthülsen, sondern gelebter Alltag. „Als Trainerin definiere ich gemeinsam mit meinen Spielerinnen drei bis vier Werte, die wir gemeinsam während der Saison leben und immer wieder einfordern.“

Die Zukunft weiblicher Führung

Trotz aller Fortschritte zögern viele Frauen noch, sich selbst als Führungskraft zu sehen. Nicht wegen fehlender Kompetenz – sondern wegen fehlender Vorbilder.

„Frauen im Sport – sei es als Trainerinnen oder in Führungspositionen – haben ein enormes Potenzial. Sie können nicht nur den Erfolg von Teams prägen, sondern auch als Vorbilder dienen.“

Gesa betont Qualitäten wie emotionale Intelligenz, Empathie und klare Kommunikation – für sie sind das keine „Soft Skills“, sondern elementare Führungsfähigkeiten.

„Jede Frau, die den Schritt in eine Trainerinnen- oder Führungsposition wagt, ist eine Inspiration für die nächste Generation.“

Nach dem Schlusspfiff

Mit Blick auf die EURO 2025 ist für Gesa klar: Die eigentliche Wirkung beginnt nicht mit dem ersten, sondern nach dem letzten Pfiff.

„Ich hoffe, wenn der Schlusspfiff ertönt, dass das kein Signal für ein Ende sondern für einen Anfang ist.“

Sie sieht das Turnier als Katalysator – für Gespräche, für konkrete Schritte, für eine neue Haltung.

„Die EM kann ein kraftvoller Katalysator für mehr Sichtbarkeit von Frauen sein – nicht nur als Spielerinnen, sondern auch als Expertinnen, Entscheiderinnen, Vorbilder. Und für eine Haltung, die Vielfalt als Stärke versteht.“

Oder wie sie es sagt: „Nicht umsonst wurde der Claim gewählt: Here to Stay.“

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