«Das Ziel meiner Arbeit war es, zu erklären, warum Menschen handeln wie sie handeln»

Martin Hutterli, Gewinner NZZ-Preis EMBA 61

Martin, wie geht es dir nach dem Sommer ohne EMBA?

Mir geht es sehr gut, ich habe die Zeit im Sommer bewusst geniessen können, da die Anspannung vom EMBA weggefallen ist. Es war sehr schön, wieder etwas mehr Zeit für die Familie zu haben. Aber es war schon zweigeteilt, muss ich ehrlich sagen. Ich habe mich natürlich über die gewonnene Zeit gefreut, aber auch immer wieder an den EMBA gedacht. Man vermisst das nach einer so intensiven Zeit schon; es fehlt etwas. So kam auch immer mal wieder etwas Wehmut auf.

Du sprichst die intensive EMBA-Zeit an; was vermisst du am meisten?  

Für mich waren es vor allem zwei Sachen. Sicherlich das Ausbrechen aus dem Arbeitsalltag, ganz bewusst weg zu sein – physisch und auch mental. Eine Distanz zum Alltag zu schaffen und sich für eine Woche auf neue Themen ein- und inspirieren zu lassen. Auf diese Komponenten habe ich mich immer sehr gefreut und dies als sehr bereichernd empfunden. Das Zweite ist das Zusammensein mit der Klasse, es sind zum Teil Freundschaften entstanden und ein ganz starkes Netzwerk. Diese beiden Aspekte habe ich in den sehr prägenden eineinhalb Jahren sehr geschätzt.

Wie hast du den Abend der Graduation erlebt? An welchem Punkt hast du realisiert, dass du den NZZ-Preis gewinnen könntest?

Die Feier war glaube ich für uns alle der emotionale Höhepunkt der EMBA-Reise. Dieser Schlusspunkt war verbunden mit ganz viel Stolz, es geschafft zu haben, Dankbarkeit, dass man diese Reise machen durfte, aber auch Erleichterung, dass dieses intensive Kapitel nun zu Ende ist.

Ich wusste, dass ich für den NZZ-Preis nominiert worden bin. Da habe ich mir selbstverständlich gewisse Gedanken gemacht. Aber bis mein Name aufgerufen wurde, bin ich nicht davon ausgegangen, dass ich gewinnen werde. Man muss dazu sagen, dass wir eine sehr kompetitive Klasse gewesen sind (lacht). Daher bin ich davon ausgegangen, dass jemand anders das Rennen machen wird. Insofern bin ich sehr überrascht worden von der Auszeichnung und habe mich natürlich doppelt gefreut, dass ich neben meinem Diplom auch noch den NZZ-Preis entgegennehmen durfte. Das habe ich als grosse Ehre und Wertschätzung empfunden.

Wie bist du auf das Thema der Arbeit gekommen?

Für mich war klar, dass ich ein Thema aus meinem Berufsumfeld vertiefen möchte. Ich habe das Glück gehabt, dass mich mein Arbeitgeber mit dem EMBA sehr grosszügig unterstützt hat und für mich war klar, dass ich mit der Arbeit auch einen Mehrwert für meinen Arbeitgeber und mein Arbeitsumfeld schaffen möchte. Im Laufe des EMBA hat sich dann der Fokus auf ein strategisches Thema mit Schwerpunkt Vorsorge ergeben. Ich hatte den Vorteil, dass ich sehr nah dran war und recht genaue Vorstellungen hatte, wie ich mich der Thematik nähere, welchen Schwerpunkt ich setze und was ich damit erreichen möchte. Zusätzlich wurde ich seitens HSG auch sehr gut durch Prof. Dr. Hato Schmeiser begleitet und betreut.

Unsere Jury sagt zurecht, das Thema Vorsorge und Wohlstand im Alter gehört zu den Megatrends unserer Zeit. Hat die grosse gesellschaftliche Relevanz des Themas das Schreiben der Arbeit leichter oder schwieriger gemacht? Eine grosse Relevanz heisst immer auch viele Meinungen, Inputs, etc.

Für mich hat die grosse Relevanz die Herangehensweise einfacher gemacht, weil es  zum Thema Vorsorge viele aktuelle Studien und Literatur gibt. Wenn man ein Thema aufnimmt, welches weniger im Fokus steht, ist dies meiner Ansicht nach schwieriger.

Auch in Bezug auf die Verhaltensökonomie war die Ausgangslage ähnlich: ich hatte relativ rasch sehr viel sehr gute Literatur als Grundlage zur Verfügung. Für mich war das Spannende und der Reiz der Arbeit, das Vorsorgethema mit der Verhaltensökonomie zu verknüpfen und daraus abgeleitet konkrete Handlungsempfehlungen für die Praxis zu formulieren. Genau in dieser Verbindung gibt es noch relativ wenige Studien und Arbeiten.

Du zeigst in deiner Arbeit auf, dass bestimmte Risiken falsch eingeschätzt werden und dass dies in gewisser Weise menschlich ist. Kannst du versuchen zu erklären?

Das Ziel meiner Arbeit war es, zu erklären, warum Menschen handeln wie sie handeln. Viele Menschen rauchen, obwohl wir alle wissen, dass Rauchen ungesund ist. So ist das auch in Bezug auf die Vorsorge: die meisten wissen, dass es wichtig ist private Vorsorge zu betreiben, aber die wenigsten machen es. Mein Anspruch war rauszufinden, warum man etwas nicht macht, obwohl man eigentlich weiss, dass man es machen sollte.

Diese Lücke lässt sich durch irrationale kognitive Prozesse erklären, welche durch diverse wissenschaftliche Studien bereits seit den 70er Jahren untersucht werden. Ausgewählte klassische Verhaltensweisen, die ich auch in der Arbeit beleuchte, sind zum Beispiel die Theorie der Gegenwartspräferenz, die subjektive Risikowahrnehmung, die Default-Theorie oder die Verlustaversion. All diese Erklärungsansätze führen dazu, dass wir in Bezug auf die Vorsorge oftmals falsche Entscheide treffen oder im Zweifelsfall gar nichts machen. Die Krux ist es nun – im Wissen dieser kognitiven Prozesse – die Dienstleistungen und Beratungsangebote so anzupassen, dass die Kunden die für sie passenden Entscheide treffen.

Hast du das Gefühl, dass unterschiedliche Generationen auch unterschiedlich an das Vorsorge-Thema rangehen oder sind die verhaltensökonomischen Muster immer ähnlich?

Das ist eine gute Frage. Grundsätzlich denke ich, dass viele kognitive Vorgänge unabhängig von der Generation ähnlich sind. Es gibt aber meiner Meinung nach generationenabhängige Einflüsse, zum Beispiel in der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung. Es ist definitiv so, dass für die kommende Generation die private Vorsorge noch wichtiger wird, als das bisher der Fall war. Vorherigen Generationen haben staatliche Leistungen oftmals noch gereicht, bei uns und den kommenden Generationen wird dies nicht mehr der Fall sein. Eine weitere Veränderung sehe ich auch noch in der Wahrnehmung, speziell wer für die Altersvorsorge verantwortlich ist. Es gibt Studien dazu, die genau das zeigen: Die älteren Generationen haben ein grösseres Selbstverantwortungsbewusstsein. So sehen sie sich selber viel stärker in der Verantwortung sich selbst um die eigene Vorsorge zu kümmern. Bei den jüngeren Generationen gibt es eher die Ansicht, dass primär der Staat für die Vorsorge zuständig sei, was aufgrund der Entwicklung der Sozialwerke natürlich ein Trugschluss ist.

Was würdest du deinen Alumni-Kolleginnen und Kollegen raten, wenn es um die Altersvorsorge geht?

Ganz klar zwei Sachen. Erstens kümmere dich darum und zweitens, kümmere dich genug früh darum. Jedes Jahr, dass du wartest, ist de facto ein verlorenes Jahr. Wenn man dies beherzigt, hat man schon einmal sehr viel richtig gemacht.

Wenn du noch ein weiteres Kapitel zu deiner Arbeit hinzufügen könntest, welches wäre dies und welchen Schwerpunkt hätte dies?

Retroperspektivisch kann ich für mich sagen, dass ich sehr zufrieden mit der Arbeit bin und ich sehr viel richtig gemacht habe. Vom frühen Beginn bis hin zum Betreuungs-Setup würde ich vieles wieder genau so machen. Das Einzige, was ich ändern bzw. ergänzen würde, ist die Qualitativbefragung. Diese hätte noch um weitere Finanzinstitute und Personen aus dem Vertrieb ergänzt werden können. Dadurch hätte es vielleicht nochmal neue Erkenntnisse gegeben oder es wären bestehende Erkenntnisse weiter gefestigt worden.

Man hört, Du bist noch mittendrin in der Thematik. Inwieweit ist die Arbeit bzw. deren Inhalt Teil deiner aktuellen Arbeit?

Tatsächlich ist das Thema in meinem aktuellen Arbeitsalltag temporär zurückgestellt worden. Es wird aber im nächsten Jahr wieder aufgenommen. Ich bin überzeugt, dass die eine oder andere Massnahme, die in der Arbeit thematisiert und empfohlen worden ist, dann auch aufgegriffen wird.

An Ende nochmal die Brücke zurück zum EMBA-Studium. Wenn du morgen früh einen Kurs aus dem Studium nochmals belegen könntest, welcher wäre dies – und warum?

Oh, das ist eine schwierige Frage, bei der ich gut überlegen muss. Jeder Kurs hat mir etwas mitgegeben und gebracht, da wir sehr viele spannende Dozenten und auch Gast-Dozenten hatten. Aber wenn ich mich für einen entscheiden müsste, würde ich neben dem Modul «Internationales Management» in Israel gerne nochmals den Kurs «Verhandlungsführung und Konfliktmanagement» mit Dr. Klaus Lassert belegen. Das war einer der lebhaftesten Kurse mit vielen praktischen und interaktiven Übungen. Dort habe ich sowohl für meinen Job als auch mein Leben sehr viel mitnehmen können. Man verhandelt schliesslich dauerhaft; sei es im Büro oder daheim mit den Kindern.

Martin Hutterli hat im EMBA 61-Studiengang die beste Diplomarbeit geschrieben und damit den NZZ-Preis gewonnen. Hutterli hat seine berufliche Karriere im Bankenwesen verbracht, zunächst bei Credit Suisse und dann bei der St. Galler Kantonalbank, wo er seit über zehn Jahren in verschiedenen Positionen tätig ist. Aktuell ist Hutterli Leiter Bereichsentwicklung PB.

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